Webdesign Preise: mehr Umsatz durch Preisgestaltung nach Kundennutzen

Wie legt man den Preis für ein Webdesign-Projekt fest?

In den meisten Fällen kommen Webdesign Preise so zustande, dass der erwartete Aufwand mit dem eigenen Stundensatz multipliziert wird. Wie der Stundensatz zustande kommt, lasse ich mal dahingestellt.

Der große Vorteil ist: das ist relativ einfach und geht zügig. Man muss nur sicherstellen, dass man den Aufwand einigermaßen abschätzen kann, aber das kriegt man mit etwas Übung ganz gut hin.

Der Ansatz hat aber gewaltige Nachteile.

  1. Der Gesamtumsatz ist limitiert auf das Produkt aus Zeit und Stundensatz. Man kann (rein mathematisch betrachtet) seinen Stundensatz erhöhen oder den Aufwand höher abschätzen. In der Realität ist das aber oft keine Option.
  2. Das „Verlust-Risiko“ für den Anbieter ist relativ hoch. Kalkuliert man einen großen Puffer ein, gewinnt man den Auftrag nicht. Hat man den Auftrag und es geht etwas schief, geht der Stundensatz in den Keller.
  3. Diese Art der Preis- und Angebotsgestaltung führt schnell zu einem Wettlauf um den niedrigsten Preis. Nicht durch die Zahl, die am Ende herauskommt, sondern durch die Überlegungen auf dem Weg dahin, durch die Denkweise.

Was ist der Ausweg?

Ein Festpreis auf Basis des Kundennutzens

Das ist ein Festpreis, der sich am Nutzen orientiert, den der Kunde aus Deiner Lösung zieht. Mit anderen Worten: Du erarbeitest gemeinsam mit Deinem Kunden eine Lösung, die eine spürbar positive Wirkung auf dessen Geschäft entfaltet. Die positive Wirkung ist im Idealfall einfach quantifizierbar, also bspw. mehr Umsatz, geringere Kosten etc. An dieser Ergebnisverbesserung kannst Du teilhaben.

Das setzt aber drei Dinge voraus:

  1. Du kannst den Nutzen quantifizieren,
  2. der Nutzen ist groß genug und
  3. Du überzeugst den Kunden, dass er die besten Chancen hat, sein Ziel zu erreichen, wenn er mit Dir zusammenarbeitet.

Damit ist dein Umsatz nicht mehr durch eine mathematische Formel begrenzt, sondern durch den Nutzen Deines Kunden. Das ist die „natürliche Grenze“, definiert durch die Rendite einer Investition (Return on Investment).  Keine Frage, das macht es nicht leichter. Der Aufwand kann sich aber lohnen und zu einer Vervielfachung Deines Umsatzes führen.

Das klingt in der Theorie sehr verlockend, wirft aber eine ganze Reihe praktischer Fragen auf.

  • Wie soll das gehen? Meine Kunden fragen immer zuerst nach dem Preis.
  • Wie bestimme ich den Wert, der meinem Kunden durch meine Leistung entsteht?
  • Wie lege ich den Preis fest, sobald ich den Wert für den Kunden ermittelt habe?
  • Warum soll der Kunde das bezahlen? Womöglich hat er Vergleichsangebote vorliegen, die deutlich billiger sind.
  • Was, wenn der wertbasierte Preis niedriger ist als meine Kalkulation auf Stundensatzbasis?
  • Ist das nicht unseriös?

Letzte Frage zuerst: nein. Das Ziel ist, dass sich der Kunde aus eigener Überzeugung für Dein Angebot entscheidet, auch wenn Dein Preis deutlich höher ist als die Preise des Wettbewerbs. Keine Abzocke, sondern überzeugender, echter Mehrwert. Aber wie? Das und die anderen Fragen klären wir in den folgenden Abschnitten.

Die Vorgehensweise

Dieser Ansatz ist keineswegs neu. Im Grunde wird diePreisgestaltung nach Kundennutzen wohl seit Beginn des Handels betrieben. Dennoch ist sie in vielen Bereichen auf Grund des Preisdrucks zurückgedrängt worden. Dieses Phänomen sieht man inzwischen auch in vielen Teilbereichen der IT. Leistungen werden austauschbar und das einzige Differenzierungsmerkmal bleibt der Preis.

Was ich hier vorstelle, ist ein möglicher Ausweg aus dieser Abwärtsspirale. Es handelt sich im Wesentlichen um eine kurze Zusammenfassung der wichtigsten Erkenntnisse aus dem englischen Buch „Breaking the time barrier“ von Mike McDerment und Donald Cowper. Wer sich näher über das Thema wertbasierte Preisgestaltung („value based pricing“) informieren möchte, dem kann ich dieses Buch empfehlen. Es ist unterhaltsam geschrieben und kostenlos als PDF verfügbar. Hier geht es jetzt erst mal weiter mit der komprimierten Fassung. Den Link gibt’s am Ende noch mal.

Schritt 1: Setze Deinen Kunden an die erste Stelle

Was kostet eine Website bei Ihnen?

Klar, im Geschäftsleben geht’s um Geld. Oft will der Kunde wissen, was finanziell auf ihn zukommt, auch wenn er selbst noch nicht so recht weiß, was er eigentlich will.

Wenn Du mit Deinem Kunden zuerst über den Preis sprichst, geht es dabei um Dich. Um das, was Du willst. Es ist höflicher und sinnvoller zuerst darüber zu sprechen, was der Kunde will. Das ist keine falsche Bescheidenheit. Es geht schließlich zuerst einmal darum, herauszufinden, ob und wie Du dem Kunden einen Mehrwert liefern kannst.

Bevor ich Ihnen einen Preis nennen kann, muss ich verstehen, was Sie benötigen, welche Ziele Sie mit diesem Projekt realisieren wollen.

Du kannst dem Kunden eine Spanne nennen, wenn er auf eine grobe Preisangabe besteht. Aber besser ist, man widersteht der Versuchung. Wenn für den Kunden der Preis allzu sehr im Vordergrund steht, kann es auch vorteilhaft sein, eine Zusammenarbeit zu vermeiden. Zwar fällt es oft schwer, auf Umsatz zu verzichten. Dafür kann man sich aber stattdessen auf die Akquise „besserer“ Kunden konzentrieren, was sich mittelfristig wieder bezahlt macht. Nicht nur in Euro, auch in der Zufriedenheit. Doch zurück zum Kundengespräch.

Schritt 2: Ermittle das kritische Problem des Kunden

Wir wollen herausfinden, was den Kunden umtreibt. Was sind seine Sorgen, seine großen Ziele? Oft ist es hilfreich, den Kunden erläutern zu lassen, unter welchen Bedingungen er das Projekt als Erfolg betrachten würde. Versetze Dich in seine Lage, stelle ihm Fragen, zeige echtes Interesse.

Dieses Vorgehen dient nicht alleine der Preisfindung. Es hilft sowohl dem Kunden selbst, als auch Dir, Klarheit darüber zu erlangen, was dem Kunden wichtig ist. Oft genug liegt diese Klarheit unter einer Oberfläche von diffusen Problemen und Ablenkungen. Diese musst Du durch Hinterfragen aus dem Weg räumen, um an das kritische Problem Deines Kunden zu gelangen.

Hier solltest Du genau hinsehen und -hören. Falls Du ein nebensächliches Problem „erwischst“, vielleicht sogar, weil der Kunde etwas vorschiebt, entgeht Dir die Möglichkeit das Geschäft des Kunden deutlich voranzubringen und der Kunde verliert womöglich das Interesse.

Vielleicht hört der Kunde von seinen Kunden und Interessenten immer wieder, dass seine Website hässlich sei. Die Leute können jahrelang gut leben mit einer hässlichen Website, solange das Geschäft gut läuft. Wenn das kippt, wird die hässliche Website plötzlich zum Problem. Ob sie aber das kritische Problem ist, oder das schleppende Geschäft andere Ursachen hat, kann man nur durch Nachforschen herausfinden.

Wichtig ist für Dich, dass Du Dich wirklich um das kritische oder ein kritisches Problem kümmerst. Ansonsten kann es passieren, dass Du für Deinen Kunden zur Nebensächlichkeit und damit zur Belastung bei der Lösung der kritischen Probleme wirst. Umgekehrt soll es sein: wenn Du ein kritisches Problem für Deinen Kunden löst, hast Du eine völlig andere Grundlage für Deine Leistung (und für deren Preis) als wenn Du ihm „nur“ eine schicke neue Website hinstellst.

Was ist, wenn der Kunde kein kritisches Problem hat? Vielleicht will er eine schicke neue Website und hat ansonsten tatsächlich kein Problem. Eine Alternative kann sein, seine Ziele herauszufinden und ihn mit Deiner Arbeit bei deren Unterstützung zu erreichen. Dein Ziel ist es, für Deinen Kunden eine spürbare Ergebnisverbesserung zu erwirken.

Schritt 3: Quantifiziere den Wert für den Kunden

Idealerweise lässt sich der Erfolg des Projekts als Euro-Betrag definieren. Der Weg dahin kann jedoch mühsam sein. In manchen Fällen kann der Kunde konkrete Zahlen als Projektziel nennen. „Soundsoviel Euro mehr Online-Umsatz“, zum Beispiel. Möglicherweise hat er schon in Schritt 2 Zahlen genannt. In anderen Fällen kann er das nicht und benötigt Deine Unterstützung bei der Quantifizierung seiner Ziele. Vielleicht betrachtet der Kunde seine Website mehr als PR-Instrument, um sein Image aufzubessern. So ein Ziel lässt sich nicht per se quantifizieren. Man kann sich aber damit behelfen, den Kunden danach zu fragen, was ihm die Akquise eines neuen Kunden wert sei. Manchmal reicht schon ein einziger Neukunde, um die Investition zu rechtfertigen. Mit der Zeit wird sich Deine Fragetechnik weiterentwickeln und es wird Dir immer leichter fallen, die Antworten herauszuarbeiten.

Von dieser gemeinsamen Bestandsaufnahme profitieren beide Seiten:

  • Das echte Interesse für die Problemstellung des Kunden hilft, eine Vertrauensbasis zu schaffen. Oder es kommt ans Licht, dass die Chemie eben nicht so richtig stimmt. Dann solltest den Ausstieg in Erwägung ziehen.
  • Man erarbeitet ein übereinstimmendes Verständnis des Problems und des Ziels. Das hilft beiden Parteien eine klare Vorstellung zu entwickeln. Ein klares Zielbild hilft dem Kunden bei der Formulierung der Aufgabe und bei der Auswahl eines geeigneten Auftragnehmers. Wenn Deine Fragen dem Kunden dabei helfen, ein klares Zielbild zu entwickeln, verstärkt das die emotionale Bindung zu Dir und Du hast Dir damit vielleicht schon den ersten Wettbewerbsvorteil erarbeitet.
  • Die eingehende Erörterung des Zielbilds mit einem klaren Ergebnis fördert die Motivation beider Seiten.

Am Ende dieses Schritts sollte auf jeden Fall ein Eurobetrag für den Kundennutzen stehen. Es kann auch vorkommen, dass der Wert des Projekts für den Kunden sich gar nicht bemessen lässt, z.B. weil er nicht greifbar oder einfach zu gering ist. In diesem Fall lässt sich kein wertbasiertes Angebot erstellen. Die Preisfestlegung wäre mehr oder weniger Glücksache oder ein Rückfall auf die Stundensatzkalkulation. Empfehlung: verzichte auf die weitere Zusammenarbeit, sofern finanziell möglich, und konzentriere Deine Anstrengungen lieber auf die Akquise des nächsten Projekts.

Schritt 4: Lege den Preis für die Investition fest

Ausgehend vom nun bekannten Wert, der dem Kunden durch das Projekt entsteht, kannst Du Deinen Preis festlegen. Als üblich gelten 10-20% des Werts der Investition, abhängig von den damit verbundenen Risiken. Je wahrscheinlicher die Zielerreichung ist, desto höher kannst Du gehen.

Damit kannst Du entscheiden, ob Dein Honorar ausreichend hoch ausfällt. 10% von wenig ist eben sehr wenig. Und wenn das nicht ausreicht, um die Kosten zu decken, lohnt sich das Engagement leider nicht. Dann heißt es erneut: ablehnen und sich auf Projekt-Akquise begeben. Ist Dein Anteil dagegen groß genug, gehst Du dazu über, dem Kunden ein individuelles Angebot zu schreiben.

Hierbei ist es sinnvoll, dem Kunden nicht nur eine Lösung, sondern mehrere und/oder zusätzliche Optionen anzubieten. Jeder Baustein hat seinen eigenen wertbasierten Preis. Dein Kunde kann sich so die für ihn ideale Lösung zusammensetzen. Das gibt ihm mehr Entscheidungsspielraum und damit das Gefühl, mehr Kontrolle zu haben. Und Dir nimmt es etwas von dem Druck, Preise verhandeln zu müssen, da der Kunde im Zweifelsfall auf eine Option verzichten kann, wenn er Geld sparen möchte. Mit unserer Angebotssoftware Grip lässt sich solch ein modulares Angebot leicht und zügig erstellen.

Grundsätzlich rate ich davon ab, Preisverhandlungen zu führen. Falls der Kunde weniger ausgeben möchte, kannst Du ihn auf Deine Lösungsbausteine verweisen oder ggf. eine günstigere Option nachlegen. Andernfalls läufst Du Gefahr, dass Deine Preise willkürlich wirken und nicht ernst genommen werden. Und Du setzt eine Spirale in Gang, die Du nicht mehr kontrollieren kannst. Wenn der Kunde dieses Mal 10% Rabatt bekommt, will er beim nächsten Mal (oder sein Bekannter) vielleicht 15%. Wenn Du Deine Hausaufgaben gemacht hast und Deine Zahlen stimmen, macht Dein Angebot für den Kunden auch ohne Rabatt Sinn.

Es ist besser, sich großzügig zu zeigen, wenn man den Auftrag erst einmal gewonnen hat: der wertbasierte Preis sollte ausreichend Puffer enthalten, dass die üblichen Änderungswünsche bereits einkalkuliert sind und diese ohne lästige Diskussionen umgesetzt werden können. Das schont die Nerven auf beiden Seiten.

Fazit

Hier sind die vier Schritte noch einmal zusammengefasst:

  1. Setze Deinen Kunden an die erste Stelle: erst seine Wünsche, dann Dein Preis.
  2. Ermittle das kritische Problem des Kunden: Umsatzrückgang, Konkurrenzdruck, Kostendruck, Umsatzziele etc.
  3. Quantifiziere den Wert für den Kunden: das kritische Ziel in EUR.
  4. Lege den Preis für die Investition fest: 10-20% des Investitionsgewinns.

Ich weiß: was ich hier vorgestellt habe, funktioniert nicht für jeden Webdesigner, nicht mit jedem Kunden und schon gar nicht sofort. Im Gegenteil, das ist der Einstieg in eine lange anstrengende Wanderung. Dem Vorgehensmodell liegt im Prinzip eine Erweiterung des Geschäftsfelds vom reinen Webdesign in Richtung Unternehmensberatung zu Grunde, allerdings ohne Auswirkung auf die Kleiderordnung. 😉 Dennoch ist das nicht jedermanns Sache.

Aber jeder Webdesigner, der mit seiner wirtschaftlichen Situation unzufrieden ist, kann diesen Ansatz  ausprobieren, für sich anwenden und optimieren. Dabei wirst Du Fehler machen und Rückschläge erleben. Es ist alles andere als einfach, geeignete Kunden zu finden, mit denen sich dieser Weg gemeinsam gehen lässt. Eine der größten Herausforderungen dürfte dabei die Umstellungsphase sein, in der Du Dich in beiden Welten, der zeitbasierten und der wertbasierten, bewegen musst. Dieser mentale Spagat ist nicht einfach. Dabei kann es helfen, ein wichtiges Ziel vor Augen zu haben.

Meine Empfehlung: Setze Dir eine Frist von z.B. drei Monaten, um den ersten Auftrag mit echter Preisgestaltung nach Kundennutzen zu gewinnen. Lass Dich von Fehlschlägen nicht entmutigen. Setze realistische Zwischenziele, wie z.B. zu Deiner Kompetenz und Arbeitsweise passende potenzielle Kunden zu finden und anzusprechen. So arbeitest Du Dich Schritt für Schritt voran. Und vergiss nicht, unterwegs die kleinen Erfolge zu feiern.

Einen Kundenstamm zu haben, mit dem die Zusammenarbeit vertrauensvoll ist und Freude macht, die den Wert Deiner Arbeit zu schätzen wissen und ihn auch bezahlen, ist diese Anstrengung wert, wie ich finde. Wenn Du das auch so siehst, findest das Buch Breaking the Time Barrier sicher hilfreich.

 

Till

Till Otto ist der Gründer von Grip und seit über 10 Jahren als Softwareentwickler und Berater selbständig.

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